Wilma Reutter

Wilma Reutter

geb. Bonnet
* 03.07.1941 in München
† 16.06.2010 in Germering
Erstellt von Gabriele Reutter

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Über den Trauerfall (7)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Wilma Reutter, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

03.07.2021 um 23:22 Uhr von Gabriele
Foto 1 für Wilma Reutter

Trauerfeier und Urnenbeisetzung von Frau Wilma Reutter (68)

04.01.2013 um 04:57 Uhr von Gabriele

 

 

Liebe Gabriele, liebe Angehörige, sehr geehrte Trauergemeinde. Ich begrüße alle, die gekommen sind, um Abschied zu nehmen von Frau Wilma Reutter. Obwohl sie schon lange pflegebedürftig war, ist sie am 16. Juni plötzlich und unerwartet gestorben. 

 

Heute sind wir vor ihrer Urne, vor dem Häuflein Asche in dieser Urne, das von ihrem Körper übrig geblieben ist. Dieser Anblick fällt uns nicht leicht, denn er führt uns recht realistisch vor Augen, was am Ende von einem geliebten Menschen bleibt, was bleibt von der Hülle, die das einschloss, was wir gern gehabt haben.

 

Christa Busta drückt das so aus: 

Was werden wir sein

In hundert Jahren?

Der Erde vermählt und dem Himmel anvertraut,

zwei Hände voll zärtlichem Staub.(Christa Busta)

 

Ja, eine Stimme, die uns vertraut war, schweigt;

Eine Frau, die unter uns war, die wir gern hatten,

die zu uns einfach dazugehört hat, ist nicht mehr. 

Sie braucht uns nicht mehr.

Wir halten inne.

Vergangenes zieht in Gedanken vorbei:

Gemeinsame Tage,

Stunden, in denen wir miteinander lachten, 

und Stunden, in denen es schwer war.

Viele Erinnerungen werden vor dieser Urne in uns wach.

 

 

Lassen wir nun ein wenig da sein von unseren Erinnerungen, lassen wir an der Urne von Wilma Reutter ein wenig da sein von ihrem Leben und von ihrem Wesen.

 

Am 3. Juli 1941 kommt sie in München auf die Welt.

Demnächst hätte sie also Geburtstag. - Es ist keine gute Zeit, in der sie geboren wird. Es ist Krieg. Der Vater der Kleinen ist im Krieg. Als er nach dem Krieg heimkommt, ist er so mager, dass die Mutter ihn nicht mehr kennt. An diese Heimkehr des Vaters hat sich Wilma bis jetzt erinnert.

 

Zusammen mit ihren großen Brüdern Willi und Alfred und mit ihrem kleinen Bruder Hans wächst sie in Neuhausen auf. Oft treiben sich die Kinder im Hirschgarten herum. Immer noch erinnert sich die Frau an den riesigen Bombentrichter, der dort nach dem Krieg die Kinder beeindruckt hat. Mit dem Fahrrad sind sie da durchgefahren. Frech war sie schon immer. Sie erinnert sich auch noch an die amerikanischen Besatzer, bei denen sie Zigaretten für den Vater gebettelt hat. 

 

Nach ihrer Schulzeit macht Wilma bei Oberpollinger eine kaufmännische Lehre. Im obersten Stock haben die Lehrlinge ihren Ausbildungsbereich. Auch daran erinnert sie sich immer gerne, wie die Lehrlinge eine Mords Gaudi hatten, wenn sie heimlich Luftschlangen von ganz oben nach unten gelassen haben. 

 

Nach der Lehre arbeitet die junge Frau als Baustellensekretärin. Nebenbei macht sie Zusatzkurse, weil sie eben mehr verdienen möchte.

 

Schließlich heiratet sie am 14. April 1970 Peter Reutter. 1972 kommt Robert auf die Welt. Vieles ist dann recht schwierig in dieser Ehe. Natürlich ist die Frau im Geschäft des Mannes und sitzt im Büro. Doch bald nach Gabrieles Geburt ist die Scheidung. Schließlich zerbricht die ganze Familie. Es gibt bestimmt so manches tiefe Tal, durch das Wilma Reutter gehen muss.

 

Was ihr gut tut, das ist ihre Arbeit bei der Gemeinde Krailling. Viele Jahre ist sie da im Einwohnermeldeamt und im Passamt. Man schätzt Wilma Reutter dort sehr.

 

Seit 2001 wohnt sie nun oben im 7. Stock. Schön hat sie die Wohnung zusammen mit Gabriele eingerichtet. Ja, nun geht es der Frau gut, auch wenn sie jetzt gesundheitliche Probleme hat. Immer noch trifft sie sich mit den Müttern, mit denen sie 1972 in der Schwangerschaftsgymnastik gewesen ist, immer noch trifft sie sich auch mit den Klassenkameradinnen und den ehemaligen Kolleginnen von Oberpollinger. Auch die Orgelgruppe ist ihr lange wichtig. Orgelgespielt hat sie ja lange Zeit recht gerne. 

 

Oben, im 7. Stock genießt Wilma nun die Aussicht in die Weite. Hier möchte sie alt werden. Dann allerdings macht ihr Herz mehr und mehr Probleme. Schließlich zieht Gabriele nach der großen Herzoperation bei ihr ein. Sie will die Mutter nicht länger alleine lassen. Gabriele bleibt auch bei ihr, als eine Demenz-Erkrankung fortschreitet. „Ohne Gabriele wäre ich aufgeschmissen,“ sagt die Mama immer wieder. Wilma ist dankbar, dass die Tochter da ist. Natürlich ist es auch wirklich gut, dass die Nachbarin regelmäßig nach ihr schaut, sich um sie kümmert.

 

Auch in der Tagespflege fühlt sich Wilma Reutter nun wohl. Immer noch macht sie auch den Kasperl und tanzt und singt. Lustig schaut das aus, denn „Wilimina“ ist so dünn. Laut ist sie schon immer gewesen, das ist sie auch noch jetzt. Man muss sie einfach mögen, sie ins Herz schließen. 

 

Wenn Gabriele aus dem Haus geht, dann holt ihr die Mama immer noch den Aufzug nach oben. Ja, irgendwie wird es schon weiter gehen, auch wenn es manchmal recht schwierig ist. „Ich bin doch pumperl gesund. Ich hab doch ein neues Herz.“, sagt Wilma Reutter, auch wenn sie dieses und jenes gesundheitliche Problem hat.

 

Dann geht Wilma am Vormittag des 16. Juni ganz leise. Sanft und still stirbt sie daheim.

 

Als ich die Lebensgeschichte von Frau Reutter hörte, fiel mir ganz spontan ein wunderschönes afrikanisches Märchen ein, das es vielleicht wert ist, in dieser Stunde, hier vor ihrer Urne erzählt zu werden: 

Durch eine Oase ging ein finsterer Mann. Er war so gallig in seinem Charakter, dass er nichts Gesundes und Schönes sehen konnte, ohne es zu verderben. Am Rande der Oase stand ein junger Palmenbaum im besten Wachstum. Der stach dem finsteren Mann in die Augen. Da nahm er einen schweren Stein und legte ihn der jungen Palme mitten in die Krone.

Mit einem bösen Lächeln ging er nach dieser Tat weiter. Die junge Palme schüttelte sich und bog sich und versuchte, die Last abzuwerfen. Vergebens. Zu fest saß der Stein in ihrer Krone. Da krallte sich der Baum tiefer in den Boden und stemmte sich gegen die steinerne Last. Er senkte seine Wurzeln so tief, dass sie eine verborgene Wasserader erreichten, und er stemmte mit aller Kraft den Stein so hoch, dass seine Krone über jeden Schatten hinausreichte. Wasser aus der Tiefe und Sonnenglut aus der Höhe machten eine königliche Palme aus dem jungen Baum.

Nach Jahren kam der finstere Mann zurück, um sich an dem Krüppelbaum zu freuen, den er verdorben hatte. Er suchte vergebens. Da senkte die stolze Palme ihre Krone, zeigte den Stein und sagte: „Ich muss dir danken, deine Last hat mich stark gemacht.“

 

 

Es gab schon einiges, was sich im Laufe ihres Lebens wie ein schwerer Stein auf das Herz von Wilma Reutter gelegt hat. Trotzdem hat sie Steine sehr geliebt und ist eine fröhliche, liebenswerte, hilfsbereite Frau geblieben.

 

 

Wenn wir heute an sie denken, dann erinnern wir uns gewiss weniger an irgendwelche Daten und Fakten. Wir erinnern uns vielmehr an die Eigenschaften, die sie hatte und die sie zu einem ganz unverwechselbaren, für uns so besonderen Menschen gemacht haben. Was haben Sie an Ihrer Mama, was haben Sie alle an Wilma Reutter so ganz besonders gern gehabt? 

 

Sie, die Sie sie geliebt, gemocht und geschätzt haben, erinnern sich an ihrer Urne an all das, was sie ausmachte: Sie erinnern sich an ihre Gestalt. Sie erinnern sich an den Klang ihrer Stimme. Sie erinnern sich vielleicht auch noch ganz genau an das eine oder andere Gespräch mit ihr. 

 

Sicherlich gibt es auch freudige Momente in Ihrer Erinnerung, Situationen, in denen Sie herzlich miteinander lachen konnten. Worüber konnte sich Wilma Reutter freuen? Wann haben Sie sie lachen gehört? 

 

Eine gewisse Irmgard Erath meint:

„Ein Mensch wird nicht sterben, solange ein anderer sein Bild im Herzen trägt.“ Sie alle tragen Bilder von Wilma Reutter in Ihrem Herzen. Halten wir jetzt einige Augenblicke inne, um uns an sie zu erinnern. Lassen wir in uns Bilder und Szenen da sein, von denen wir sagen können: Ja, so war sie und so möchte ich sie auch in Erinnerung behalten. Halten wir inne, um das da sein zu lassen, was sie für uns gewesen ist, um das da sein zu lassen, was wir jetzt betrauern.

 

Was im Tod geschieht, das wissen wir nicht, und was danach sein wird, das wissen wir auch nicht. Wir wünschen aber unseren lieben Toten, dass es ihnen gut geht dort, wo sie jetzt sind, dass sie im großen Frieden sind, dass sie bei Gott aufgehoben und geborgen sind. Das wünschen wir nun ganz bewusst auch Wilma Reutter.

 

Ich lege nun meine Hand auf die Urne. Sie alle sind dabei eingeladen, ihr noch einen guten Gedanken, ein liebes Wort, ein Danke mitzugeben. Sie sind auch eingeladen, in dieser Stille ein Gebet zu sprechen, eben so, wie es Ihnen zu Mute ist.

 

Aus dieser Stunde möchte ich Ihnen, liebe Gabriele, eine Kerze mitgeben, die an der Urne Ihrer Mutter gebrannt hat. Vielleicht tut es Ihnen manchmal gut, diese Kerze wieder anzuzünden und im Licht und in der Wärme dieser Kerze an die Mutter zu denken. 

 

 

Beisetzung

Der Dichters Joseph Freiherr von Eichendorff sagt:

 

Und meine Seele spannte 

weit ihre Flügel aus,

flog durch die stillen Lande, 

als flöge sie nach Haus.

 

 

An einem offenen Grab können Worte oft kaum ausdrücken, was wir empfinden. Symbole tun das manchmal besser. Lassen wir deshalb nun Symbole sprechen:

Wasser ist ein Symbol für das Leben. Ohne Wasser gibt es kein Leben. Geben wir in dieses Grab Wasser, weil wir hoffen, dass Wilma Reutter im Tod ein anderes Leben bekommen hat. Geben wir in dieses Grab auch Wasser, weil wir uns wünschen, dass sie in unserem Herzen und in unserer Erinnerung weiterlebt.

Legen wir in dieses Grab Blumen. Blumen sind ein Zeichen für Liebe und Dankbarkeit. Unsere Blumen sollen in diesem Grab liegen.

Zündenwiran diesem Grab ein Licht an. Wilma brachte Licht in unser Leben. Dafür danken wir ihr mit diesem Licht. Wir wünschen ihr, dass sie nun nicht im Dunkel des Todes und im Dunkel des Grabes ist, sondern im Licht, im ewigen Licht.

 

 

Der Friede sei nun mit Wilma Reutter

 

 

Vielleicht würde sie nun zu uns sagen: 

Wenn ihr mich sucht, sucht mich in eurem Herzen.

Habe ich dort eine Bleibe gefunden, lebe ich in euch fort.

 

 

Ich wünsche Ihnen, liebe Gabriele, dass Ihre Trauer um die Mutter sich wandelt in liebende Erinnerung.

 

 

 

 

*******

Rita Friedrich, Schlesierstr. 78, 82110 Germering

24. Juni 2010

 

 

04.01.2013 um 04:46 Uhr von Gabriele
Foto 3 für Wilma Reutter

06.01.2013 um 18:19 Uhr von Gabriele
Foto 4 für Wilma Reutter

04.01.2013 um 04:50 Uhr von Gabriele
Foto 5 für Wilma Reutter
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